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Ubuntu - Mitgefühl und Menschlichkeit

Das afrikanische Zauberwort für mehr Achtsamkeit im Leben.


Ubuntu, ausgesprochen [ùɓúntú], bezeichnet eine Lebensphilosophie, die im alltäglichen Leben aus afrikanischen Überlieferungen heraus vor allem im südlichen Afrika praktiziert wird. Das Wort Ubuntu kommt aus den Bantusprachen der Zulu und der Xhosa und bedeutet in etwa „Menschlichkeit“, „Nächstenliebe“ und „Gemeinsinn“ sowie die Erfahrung und das Bewusstsein, dass man selbst Teil eines Ganzen ist. Ubuntu kann aufgefasst werden als „gemeinsam zu Menschen werden, einander wechselseitig menschlich machen“.

Damit wird eine Grundhaltung bezeichnet, die sich vor allem auf wechselseitigen Respekt und Anerkennung, Achtung der Menschenwürde und das Bestreben nach einer harmonischen und friedlichen Gesellschaft stützt, aber auch auf den Glauben an ein „universelles Band des Teilens, das alles Menschliche verbindet“. Die eigene Persönlichkeit und die Gemeinschaft stehen in der Ubuntu-Philosophie in enger Beziehung zueinander.

Ubuntu enthält auch politische und religiös-spirituelle Aspekte, die die Verantwortung des Individuums innerhalb seiner Gemeinschaft betonen. Es gibt Versuche des südafrikanischen Verfassungsgerichts, diesen afrikanischen Kulturwert bei der Auslegung der Grundrechte in der südafrikanischen Verfassung einzubeziehen.


Ubuntu – ein Begriff, der Gemeinschaft, Menschlichkeit und gegenseitigen Respekt bedeutet


"Ubuntu" ist ein Lebensgefühl, das sich durch alle Länder südlich der Sahara zieht. Dabei geht es um gegenseitigen Respekt, denn der Mensch wird als Teil einer größeren Gemeinschaft gesehen.

Gemeinschaft, Menschlichkeit und ein "universelles Band des Teilens, das alle Menschen verbindet" – das steckt hinter dem Begriff "Ubuntu". Ein Begriff, der die Lebensphilosophie der Menschen im südlichen Afrika beschreibt. Ubuntu beschreibt eine moralische Grundhaltung, die die Weltsicht der Afrikaner prägt. 

                                

Leitlinie für mehr Achtsamkeit

                    

Das Wort, das aus der Bantusprache der Zulu- und Xhosa-Völker stammt, lässt sich schwer mit nur einem einzelnen Ausdruck übersetzen. Viel mehr umfasst Ubuntu eine Reihe von menschlichen Werten wie Mitgefühl, Selbstlosigkeit, Solidarität, Nächstenliebe und vor allem Dingen das Bewusstsein, Teil eines Ganzen zu sein. Eine Leitlinie, die den Menschen zu mehr Achtsamkeit im Leben verhilft.

              

        

So schön ist die Welt Aug in Aug mit dem Koloss. Eine Reise zu den Walen an der Südspitze Afrikas

Die Ubuntu-Philosophie findet sich in jedem afrikanischen Staat südlich der Sahara. Die genaue Auslegung des Konzepts unterscheidet sich zwar von Land zu Land, trotzdem weisen sie laut Definition aus dem "African Journal of Social Work" alle auf den gleichen Ausgangspunkt hin: "Ein authentisches Individuum ist Teil eines grösseren und bedeutender Geflechts aus Umwelt, Gesellschaft, Beziehungen, Gemeinschaft und Spiritualität."

              

Achtsamkeit für ein harmonisches Miteinander

                    

Professor James Ogude von der Universität Pretoria in Südafrika übersetzt Ubuntu in einem Beitrag der "BBC" mit Interdependenz, der gegenseitigen Abhängigkeit der Menschen voneinander und von der Umwelt. Eine Verbundenheit, die im Zusammenleben entsteht und zum Ziel hat, die unterschiedlichen Lebensrealitäten der Menschen zu verbinden, um für ein harmonisches Miteinander zu sorgen.


Szene aus Äthiopien: Zum Tanzen kommt die ganze Gemeinschaft zusammen. © VWPics / Imago Images


Dieser Grundsatz spielte in der Geschichte Südafrikas eine wichtige Rolle. Nach dem Ende der Apartheid wurde das Ubuntu-Konzept zu einem zentralen Wegweiser für den Übergang von einer gespaltenen Gesellschaft zu einer friedlichen Gemeinschaft. Das Land befand sich an einem kritischen Punkt, erinnert sich Professor Ogude. Erzbischof Desmond Tutu habe das uralte Wertesystem, das hinter Ubuntu steckt, schliesslich populär gemacht. 

              

Ubuntu in der südafrikanischen Verfassung

                    

Für den Geistlichen sei ein Mensch mit Ubuntu für andere offen und zugänglich. "Er hat ein stabiles Selbstwertgefühl, das in der Zugehörigkeit zu einem grösseren Ganzen verankert ist", zitiert der "Österreichische Rundfunk" den Bischof. Schliesslich fand Ubuntu sogar Eingang in das Nachwort der vorläufigen Verfassung von Südafrika. "Es besteht der Bedarf nach Ubuntu und nicht nach Schikane", ist in dem Dokument von 1993 zu lesen.

                    

Auch in der Politik Nelson Mandelas, der das Land von 1994 bis 1999 regierte, hatte das Ubuntu-Konzept eine essentielle Bedeutung. Barack Obama nannte die afrikanische Philosophie in einer Rede während Mandelas Gedenkgottesdienst "seine grösste Gabe": Die Überzeugung, "dass wir uns selbst verwirklichen, indem wir uns mit anderen teilen und uns um die Menschen um uns herum kümmern".

                    


Bei Ubuntu gehe es laut Professor Ogude nicht nur um das soziale Bewusstsein, sondern auch um die Verantwortung, die damit einhergeht. Verantwortung für den Menschen, aber auch für die Umwelt. Ein achtsamer Umgang mit allen Lebewesen, der Erde und schlussendlich auch mit sich selbst. Denn der Mensch ist als Individuum wechselseitig mit seinem Umfeld verbunden.

              

Achtsamkeit für Menschen, Umwelt und sich selbst

                    

Der Wissenschaftler nennt Bienen als Beispiel. Insekten, die von vielen Menschen als lästig empfunden werden und deren Rolle im Ökosystem oftmals unterschätzt wird. Rund 30 Prozent aller Nutzpflanzen – die Grundlage unserer Ernährung – sind auf die Bestäubung durch Bienen angewiesen. "Wer ihnen schadet, schadet am Ende sich selbst", sagt Ogude im Gespräch mit der "BBC". 

                    

Das gemeinschaftliche, kollektive Denken sieht man in Afrika als Gegengewicht zur europäischen Kultur des Individualismus'. "Die Gemeinschaft mässigt das Ego, weil sie dich ständig daran erinnert, dass du nicht in Isolation lebst", erklärt der südafrikanische Professor. Individualität hingegen, die für Ogude die Entfaltung des eigenen Charakters bedeutete, stehe nicht im Gegensatz zur Ubuntu-Philosophie.



Ohne die Gruppe kein Individuum – das ist die Philosophie hinter Ubuntu. © Nic Bothma Picture Alliance

                        

Die Gruppe gilt als Fundament, auf dem sich der Einzelne entwickeln kann. Die afrikanischen Kulturen sehen den Mitmenschen und die Gemeinschaft als Notwendigkeit dafür, dass sich die individuelle Persönlichkeit entfalten kann.

              

Ubuntu auch in anderen Teilen der Welt

                    

Das moralische Konzept hat sich von Südafrika aus mittlerweile auf der ganzen Erde verbreitet. In den USA verfolgt die Regierung im Aussenhandel etwa eine "Ubuntu-Diplomatie". Vom Aussenministerium heisst es dazu: "Es bedarf einer gemeinsamen Antwort, um die globalen Herausforderungen zu meistern, denen wir gegenüberstehen." Auch in Bildungssystemen, in der Forschung und in der Entwicklungshilfe sind die afrikanischen Werte vertreten.                           

                    

Der deutsche Ubuntu-Verein, der Kinder und Jugendliche in Afrika fördert, betont auf seiner Internetseite die Zusammenarbeit auf Augenhöhe mit lokalen Organisationen und Personen. Für den einzelnen Menschen kann die afrikanische Philosophie ebenfalls bedeuten, sich für soziale Zwecke zu engagieren. Doch Ubuntu kann sich auch schlicht auf die menschliche Interaktion beziehen. Mit einer einfachen Begrüssung zeige man laut Professor Ogude Anerkennung und Respekt gegenüber dem Mitmenschen – zwei zentrale Ubuntu-Werte.



Wer versucht, solch kleine Gesten in seinen Alltag einzubauen, dem verhilft Ubuntu zu mehr Achtsamkeit gegenüber den Mitmenschen und gegenüber sich selbst.


Ist das Ubuntu Prinzip übertragbar?


Wie so oft hören sich diese Philosophien in der Theorie sehr schön an, aber sind sie auch auf die Realität übertragbar? Gerade in unserer individualisierten Gesellschaft ist es oft schwer das Gruppeninteresse vor das Eigeninteresse zu setzen. Andere mit einzubeziehen erweitert und vertieft die eigenen Möglichkeiten. Heutzutage lässt sich Ubuntu durch eine Vielzahl von Wegen umsetzen.

Man sollte seine Erfolge generell mit der Gruppe teilen, denn nur so ist es möglich, dass die gesamte Gruppe von dem Glück eines Einzelnen profitiert. Austausch ist also das wichtigste Werkzeug, was einem zur Hand liegt. Demnach ist es von hoher Bedeutung seine sozialen Kontakte zu pflegen. Auch hilft es, seine eigenen Leistungen als Gruppenerfolg zu betrachten. Das bedeutet, dass man nicht nur sich selbst belohnt, sondern auch die Familie oder Freunde. Beispielsweise kann man für eine Gruppe einen Kuchen backen und ihn gemeinsam essen, wenn man z.B. einen wichtigen Artikel veröffentlicht hat.

Egal ob Buddhismus, Islam oder Christentum – alle grossen Weltreligionen betonen das Positive daran, sich gegenseitig Gutes zu tun. All diese Philosophien nähren sich von der Vorstellung, dass das Verbindende zwischen uns Menschen immer stärker ist als das, was uns voneinander unterscheidet. Eine ebenso spannende Lebensphilosophie, die Du kennen solltest, stammt aus Japan. Was es damit auf sich hat, erfährst Du hier: Ikigai – die japanische Methode für ein sinnreiches Leben.




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Quellen: Aarhus University, "African Journal of Social Work", "BBC", U. S. Department of State, "Österreichischer Rundfunk", Ubuntu e.V.

Claude-Hélène Mayer: Interkulturelle Mediation im Spannungsfeld westlicher und afrikanischer Perspektiven. In: D. Busch und H. Schröder (Hrsg.): Perspektiven Interkultureller Mediation. Studien zur Interkulturellen Mediation 2. Peter Lang, Frankfurt 2005, S. 245–266.

Claude-Hélène Mayer und Christian Boness: Südafrikanische Kulturstandards. Handlungsrelevantes Wissen für Fach- und Führungskräfte. In: Africa Spectrum 38. 2003, S. 173–196.

Willem de Liefde: Ubuntu. Signum, München 2006, ISBN 3-7766-8007-5.

Michael Tellinger: Das Ubuntu-Prinzip. Hesper Verlag 2014, ISBN 978-3-943413-12-0.

S. Ntibagirirwa: Ubuntu as a Metaphysical Concept. In: J Value Inquiry 52, 2018, S. 113–133, doi:10.1007/s10790-017-9605-x.

R. K. Chigangaidze, A. A. Matanga, T. R. Katsuro: Ubuntu Philosophy as a Humanistic–Existential Framework for the Fight Against the COVID-19 Pandemic. Journal of Humanistic Psychology, 62(3), 2002, S. 319–333, doi:10.1177/00221678211044554.

Oliver Mutanga: Ubuntu Philosophy and Disabilities in Sub-Saharan Africa. Routledge 2023, ISBN 978-1-03-238141-1.

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Endlich mal wieder etwas #Positives! 😉

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